Ira Renninger-Rupp, Textildesignerin und Upcycling-Künstlerin

Porträt-Foto.

Ira Renninger-Rupp habe ich im vergangenen Sommer bei einer Teegesellschaft kennengelernt. An einem heißen Augustsonntag erzählte sie von ihrem geplanten Weihnachtsprojekt. „Ich möchte im Rheingau, gemeinsam mit geflüchteten Frauen aus Syrien und Afghanistan, Taschen für den Rüdesheimer Weihnachtsmarkt fertigen,“ erzählte sie.

Das „Projekt Morgenland“ sollte geflüchteten Frauen die Möglichkeit geben, mit ihren ganz eigenen Fähigkeiten und Talenten Geld zu verdienen, um Stück für Stück ein eigenes Business aufzubauen.

Das Projekt lief gut. Bereits Mitte Dezember war alles ausverkauft.

Aus Stroh Gold spinnen: Vom alten Baumwollhemd zur kostbaren Tasche

Ein grünes Hemd mit weißen Punkten. Und rot-weißer Stickerei.

„Die Edition Morgenland ist eine Upcycling-Kollektion von Taschen und Etuis. Genäht aus alten Baumwollhemden und fein bestickt. Die Muster haben die Kunsthandwerkerinnen selbst entwickelt. Als Inspirationsquelle diente ein Blick in alte Musterbücher mit grafischen, orientalischen Motiven.“ Ira erklärt mir die handwerklichen Einzelheiten der Fertigung. Wir sitzen in der „Haltbar“, nahe dem Wiesbadener „Sternschnuppenmarkt“, und naschen uns durch die Frühstückskarte.

Die Vorbereitungen: Alte Hemden sammeln und das Atelier vor Motten schützen

Hemd. Blau und kariert.

Ira hat den ganzen Herbst in ihrem Bekanntenkreis nach Hemden „gefragt, gesammelt und gebettelt“. Am Ende hatte sie so viele, dass ihr Atelier aus allen Nähten platzte. „Meine größte Sorge waren die Motten.“ Doch das Glück war auf ihrer Seite. „Alle hatten die Hemden vor der Übergabe gewaschen.“ So konnte sich Ira ganz auf die Arbeit selbst konzentrieren.

„Im September, zum ersten Treffen in Lorch, kamen  rund 15 Interessierte. Doch es hat sich von Anfang an gezeigt, wer langfristig im Projekt Morgenland mitarbeiten würde,“ erinnert sich Ira. Sie hatte die künstlerische Leitung im Team. „Die Projektleiterin und ich haben damals nicht nur das Konzept vorgestellt, sondern auch schon Material mitgebracht. Hemden, Nadeln, Garn und Musterbücher. Es war ein ziemlicher Trubel. Alle hatten viel zu erzählen. Und mitten in dem ganzen Gewusel saßen zwei Frauen, völlig selbstvergessen, und begannen sofort zu sticken.“ Genau so arbeitet Ira selbst.

Künstlerische Arbeit als Kontemplation

Kleine Tasche aufgeklappt. Innen sieht man das Hemd vom letzten Foto als Innenfutter.

„Meine Arbeit ist für mich Kontemplation. Ich arbeite still vor mich hin, völlig versunken ins Nähen und Sticken. Der Kopf wird frei. Bilder können aufsteigen. Sie bringen neue Impulse für den Alltag und mein künstlerisches Schaffen. Manchmal verknüpfen diese Bilder meine Arbeit auch mit dem Weltgeschehen.“

Im Moment geht ihr die Vision einer Nuklearkatastrophe aus Patchwork im Kopf herum. „Vielleicht mit toten Fischen, wie im Meer vor Fukushima. Da verschmilzt das weiche, sanfte Material mit der tödlichen Bedrohung der Atomkraft. Diese Darstellungsweise bricht Erwartungen. Mit dem Tod in Baumwolle rechnet niemand.“

Iras Werdegang: Von Papier und Stift zu Garnen und Stoffen

Bestickte Tasche.

Ira arbeitet seit zehn Jahren mit Garnen und Stoffen. „Ich habe schon als Kind gerne gemalt, gezeichnet und gewerkelt. Es war völlig klar, dass ich eine künstlerischen Beruf ergreifen würde. Etwas Anderes kam gar nicht in Frage.“ Nach dem Abitur hat sich Ira erst einmal für Papier und Stift entschieden, Kommunikationsdesign studiert und als Texterin in einer Werbeagentur gearbeitet.

In der Elternzeit schneiderte sie  Kleidung für sich und das Kind. „Irgendwann sagte meine Tochter: Mama, ich möchte gerne auch normale Kleider. Können wir nicht mal zu H&M?“ Das Mädchen kaufte bald nur noch im Laden.

Ira begann Decken und Kissen zu nähen. Der Wunsch Kleidung zu fertigen, hatte sich verselbständigt. Das Nähen selbst stand jetzt im Vordergrund. „Ich erinnerte mich an meine Kindheit,“ sagt Ira. „Ich hatte oft mit meiner Oma Handarbeiten gemacht. Dabei erlebten wir innige Momente zwischen Großmutter und Enkelin.“

Kunsthandwerk als Kommunikationsmittel

Edition Morgenland

Heute gibt Ira ihr Können selbst weiter. So wie früher ihre Großmutter, macht sie heute Handarbeiten mit Kindern. „Ich habe zwei Stichel-AGs an einer Grundschule. Anfänger und Fortgeschrittene.“ Fast alle „Stichel-Kinder“ sind Mädchen. „Sie sticheln nicht nur mit Nadeln, sondern gerne auch mit Worten.“ Ira grinst.

Neben den Schul-AGs leitet die Designerin Gruppen für Erwachsene. „Das Nähen zu Hause ist Kontemplation. Die Arbeit in der Gruppe Kommunikation. Ich möchte auf keines von beiden verzichten. Für mich ergeben die beiden Teile ein Ganzes“

Mehr über Ira Renninger-Rupps Arbeit findet Ihr auf Iras Blog Pearl & Merlina.

Dieser Text wurde bereits auf meinem Blog Café Clia veröffentlicht.

 

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