Vespahändlerin Heike Kreutzer setzt sich für soziale Personalwirtschaft im Saisonbetrieb ein

Porträt einer Frau mit Brille und kurzen, blonden Haaren.
Heike Kreutzer

Heike Kreutzer arbeitet in dem Haus, in dem ich wohne. Gemeinsam mit ihrem Mann Stefan ist sie Geschäftsführerin des Familienunternehmens  „Zweirad Klose“.

Der „dienstälteste“ Wiesbadener Vespa-Händler, gegründet 1927 in der Nähe von Frankfurt an der Oder, feiert im November den 90. Geburtstag.

Heike und ich kamen am Briefkasten ins Gespräch und bewegten uns dann zum Mittagessen Richtung Sherry & Port. „Wir beschäftigen unsere Mitarbeiter zwölf Monate im Jahr,“ hatte sie gesagt. Das ließ mich aufhorchen. Denn solche Arbeitsverhältnisse sind in Branchen mit Saisonbetrieb selten.

Unternehmen, die vom Wetter abhängig sind, wie zum Beispiel Gastronomen, entlassen ihre Mitarbeiter häufig zu Beginn des Winters und stellen sie zum Frühjahr hin wieder ein.

Ich wollte also gerne wissen, wie der Zweirad-Händler die Zwölf-Monats-Vollbeschäftigung seiner vier Angestellten organisiert hat. Und natürlich interessierte mich auch, wie Heike zu ihrem Beruf gekommen ist. Vespa-Händlerin – auf die Idee muss man ja erst einmal kommen!

Eine Familie vor einem Geschäft.
Unternehmensgründung 1927 in Neusalz an der Oder

Kindheit zwischen Zweirädern

„Ich bin quasi zwischen Zweirädern aufgewachsen,“ erzählt Heike. „Mein Vater führte in den 60ern eine Filiale des Wiesbadener Geschäfts in Raunheim.“

„Tagsüber war ich entweder im Laden dabei oder spielte im Garten,“ sagt Heike. „Das war damals so. Die Oma (Mutter der Mutter) wohnte bei uns, sorgte für´s Mittagessen und war auch sonst für mich da.“

Heikes Mutter war, so wie ihr Mann, viele Jahre selbstständige Unternehmerin und hatte einen Laden für Baby- und Kinderausstattung in Rüsselsheim. Diese Art von Geschäft, heute selbstverständlich, war damals eine echte Innovation.

Doch Anfang der 70er, nach dem Tod des Großvaters in Wiesbaden, wurden beide Läden geschlossen und die Familie zog samt Oma um und übernahm die Führung des Stammhauses.

Das Sortiment umfasste damals „ein bisschen Fahrrad“, die deutschen Mopedmarken Hercules, Zündapp, Kreidler. die italienische Vespa und japanische Motorräder, wie Yamaha und Suzuki.

Im Urlaub, der bedingt durch den Saisonbetrieb im Zweiradhandel, im Winter stattfand, ging die Familie Ski fahren.

Die dreijährige Heike mit Mutter auf Skiern.

Ein Faible für Sport und lateinamerikanische Tänze

Heike besuchte zu dieser Zeit die Theodor-Fliedner-Schule in Bierstadt. Die Eltern wollten die Tochter nicht zu früh auf eine Schulart festlegen. Die Fliedner-Schule ist eine Gesamtschule.

Ab der siebten Klasse besuchte Heike das Gymnasium. „Es war toll dort. Die Schule war damals ganz neu. Es gab Sportgeräte auf dem Schulhof und gut ausgerüstete Fachräume für die entsprechenden Fächer.“ Besonders beeindruckt war sie von den Spinden. „Wir konnten unsere Bücher in der Schule lassen und brauchten sie nicht mit uns herum zu schleppen.“

Mit 14 machte Heike ihren ersten Tanzkurs und begeisterte sich für lateinamerikanische Tänze. Nach dem vierten Kurs wechselte sie in die Formation. „So etwas gab es damals selten und wir wurden zu Auftritten im ganzen Rhein-Main-Gebiet eingeladen.“

Heike tanzte bei großen Veranstaltungen im Kurhaus Wiesbaden, in der Rheingoldhalle Mainz und in der Jahrhunderthalle Frankfurt. Gleichzeitig machte sie Abitur am Oberstufen-Gymnasium.

Dann stand die Ausbildung an.

Mädchen auf Mini-Vespa.
Mini-Vespa statt Bobby-Car.

Berufswunsch Maskenbildnerin

„Ich wollte als Maskenbildnerin ans Theater. Die Voraussetzung für ein entsprechendes Praktikum war die Erstausbildung in einem verwanden Beruf.“

Heike entschied sich, eine Ausbildung zur Kosmetikerin zu machen. Diese Ausbildung war von allen akzeptierten Ausbildungen die kürzeste. Sie dauerte ein Jahr. Doch der Plan scheiterte.

Heike hatte die Abschlussprüfung bereits abgelegt und war im Berufspraktikum. Da entwickelte sie eine Neurodermitis.

„Die Selbstversuche, die Kosmetikerinnen in der Ausbildung machen müssen, waren zu viel für meine Haut. Ich sah lange Zeit so schlimm aus, dass ich mich kaum unter Menschen traute.“

Eckhaus mit Geschäft im Erdgeschoss.
Zweirad Klose an der Ecke Karl- und Albrechtstraße

Einstieg in den elterlichen Betrieb und Ausbildung zur Kauffrau

Um nicht zuhause zu sitzen, stieg Heike in den elterlichen Betrieb ein. – Und blieb.

„Ich war den ganzen Tag mit Menschen zusammen und entdeckte meine Liebe zur Technik. Die war mir bis dahin nicht bewusst, obwohl ich ja schon immer auf zwei Rädern mit Motor unterwegs war. Ich bin einfach kein Autofahrer.“

Um nicht nur die Tochter vom Chef zu sein, machte Heike eine Ausbildung zur Kauffrau. „Ich wollte, dass das, was ich tue Hand und Fuß hat. Und natürlich wollte ich auch auf Augenhöhe mit den Anderen mitreden.“

Die Anderen – das waren neben ihrem Vater auch der angehende Geschäftsführer Stefan Kreutzer. Nun seit mehr als 35 Jahren Heikes Partner im Geschäft und im Leben.

„Wir machen alles zusammen,“ sagt Heike. „Arbeiten, Urlaub und Sport.“

Zwei Menschen in Motorrad-Kluft neben ihren Vespas.
Heike und Stefan Kreutzer. Das Paar fährt auch privat Vespa.

Das Business-Konzept von Heike und Stefan Kreutzer

Das Geschäft, das seit der großen Wirtschaftskrise 2002 keine großen Maschinen mehr verkauft, sondern nur noch die Marken der Piaggio-Gruppe (neben der klassischen Vespa auch Modelle für den schmaleren Geldbeutel), läuft gut.

„Wir beschäftigen das ganze Jahr über vier Mitarbeiter. Insgesamt sind wir zu sechst, drei im Laden und drei in der Werkstatt. Mit einer Ausnahme sind alle Kollegen schon über 20 Jahre bei uns,“ erzählt Heike.

„Und im Gegensatz zu anderen Zweirad-Händlern, beschäftigen wir unsere Leute das ganze Jahr über. Die Vorstellung, dass die Kinder unserer Mitarbeiter in instabilen finanziellen Verhältnissen aufwachsen, hat uns nicht gefallen.“

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit entspricht, über das Jahr gerechnet, der klassischen 40-Stunden-Woche.

Um die ruhigen Wintermonate mit der kürzeren Arbeitszeit auszugleichen, muss im Sommer mehr gearbeitet werden. Da ist im Zweiradhandel Hochbetrieb. „Dennoch sorgen wir dafür, dass alle unsere Mitarbeiter in den Ferien zwei Wochen am Stück frei nehmen können. Schließlich haben sie Familie.“

Kreutzers selbst machen ihren mehrwöchigen Jahresurlaub kurz vor Saisonbeginn im Vorfrühling, bestens vertreten von ihrem Team. „Das haben wir intern so abgesprochen. Es ist uns wichtig, dass alle unser Konzept mittragen.“

Mehr über das Unternehmen von Heike und Stefan könnt Ihr beim Besuch der Veranstaltung „Mitte bei Nacht“, am 17. November 2017, erfahren.

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