BarCamp RheinMain 2019- 200 helle Köpfe, die die Welt ein bisschen besser machen

Die Verbesserung der Demokratie, Digitalisierung, Klimaschutz, New Work und die Fahndung nach geklauten Meisenknödeln – all das (und noch viel mehr) war Thema in rund 77 Sessions beim jährlichen BarCamp RheinMain am letzten Novemberwochenende in den Räumen der funkelnagelneuen, privaten Hochschule Fresenius Wiesbaden. Die 78. Session zog los und putzte die Stolpersteine im Viertel.

Obwohl es das BarCamp RheinMain schon seit zehn Jahren gibt, haben sich bei den Fans noch keine Ermüdungserscheinungen eingestellt. Aus dem Umkreis von 400 Kilometern waren rund 200 Teilnehmer – Session-Geber und Session-Nehmer – angereist, um von und mit Freunden, Bekannten und Kollegen zu lernen.

Ein Baumwollbeutel ineiner Kiste mit Äpfeln
Begrüßungsgeschenk: ein Gemüsebeutel mit Apfel

Digitalexperten trafen auf Wissenschaftler und Kulturschaffende. Vereinzelt waren auch Menschen aus Verwaltung und Finanzwesen anzutreffen. Allesamt helle Köpfe, die zusammen eine gute und inspirierende Zeit haben wollten. Natürlich gab es auch ein Spielzimmer für den mitgebrachten Nachwuchs..

Spielzimmer - Boden bedeckt mit Lego und Malsachen
Blick ins Spielzimmer

Vitamine zur Begrüssung

„Isst Du lieber Jonagold oder Idared?“  fragt mich Irmela vom Orga-Team/Verein zur Förderung der Netzkultur im Rhein-Main-Gebiet am Eingang. „Oh, ich mag sie beide!“ Und schwupps habe ich einen wiederverwendbaren Baumwoll-Gemüsebeutel samt Apfel in meinem Rucksack – das Give Away des diejährigen BarCamps RheinMain.

Dann husche ich Richtung Mensa, zum vermutlich besten Frühstück, das ein Barcamp je bot. Und das gilt auch für alle anderen Speisen, die im Laufe der zwei Camp-Tage aufgefahren werden. Denn die Hochschulküche läuft unter der Regie der Hofköche, einem der beliebtesten Caterer im Rhein-Main-Gebiet. (Erst vor Kurzem durfte ich beim Wiesbadener CSR-Praxistag an einem Hofköche-Büffet schlemmen. Von der Matcha-Panna-Cotta mit Mangoschaum, die es dort zum Abschluss gab, träume ich heute noch.)

Und dann geht´s auch schon los: Sessionplanung im Bürgersaal (er kann für Events gemietet werden) und ab in den ersten Stock zu den Session-Räumen.

Orga-Team bei der Session-Planung
Das Orga-Team des Vereins zur Förderung der Netzkultur im Rhein-Main-Gebiet bei der Session-Planung

Konsensierung – die Verbesserung der Demokratie

Gunnars Session heisst Konsensieren – Demokratie 4.0. „Stellt Euch vor, Ihr plant das Weihnachtsessen für die Familie. Oma, Opa, Mama, Papa, Tante, Onkel, Eure*n Partner*in, Kinder und Geschwister und jeder will etwas anderes.

Der eine schwärmt für Gans, die nächste will Pute, Karpfen oder Wild. Die Veganer, Vegetarierinnen und Lebensmittelallergischen wollen und sollen auch zufrieden gestellt werden. – Und was macht man da jetzt, damit es nicht zum Familenkrach kommt?  Tja, konsensieren“

Das heißt, man erstellt eine Tabelle auf der alle möglichen Bestandteile des Essens einzeln aufgeführt werden und dann kann jedes Familenmitglied mittels eines Punktesystems seine Wünsche äußern.

Wichtig: Man trägt nicht das ein, was man essen will, sondern das, was man auf keinen Fall essen möchte und dieses Lebenmittel wird dann gar nicht erst eingekauft.

Wenn alle ihre Meinung kund getan haben, wird geschaut, welche Lebensmittel von allen akzeptiert werden und die kommen dann Weihnachten auf den Tisch. Keiner muss „Kröten schlucken“ und niemand fühlt sich übergangen.

Das klingt doch gut, oder? Funktioniert das auch in der Politik? – Ja, sagt Gunnar. In Österreich wird das auf kommunaler Ebene sogar schon erfolgreich praktiziert.

Parking Day

Simon Wehr erzählt in seiner Session vom Parking Day, einer Idee aus Kalifornien. Der Aktionstag findet jeden 3. Freitag im September statt und soll den Bürgern die Städte zurück geben.

In einer vorher genau bestimmten Zone wird ein zeitliches Parkverbot verhängt und die freie Zone wird zum Spielplatz, Café, Aktions- und Kunstraum. Autos, die nicht weichen wollten, werden abgeschleppt.

Jeder der möchte, kann diesen Aktionstag veranstalten sagt Simon,  Einzelpersonen und Gruppen. Oft finden sich noch Organisationen, die die Idee unterstützen und mitnutzen. Zum Beispiel Umweltschutzverbände oder Bürgerinitiativen.

Simon selbst organisiert den Parking Day in Mainz mit.

Logo von Unfuck the World
Logo

Unfuck the World

Daniela und ihr Team planen gößer. Fasziniert vom Erfolg der Petition gegen die Luxussteuer auf Tampons, hat sich die Vison entwickelt, noch mehr Petitionen beim Bundestag einzureichen.

Damit sicher gestellt ist, dass sich genügend Unterzeichner finden, sollen im Juni 2020 im Olypiastadion in Berlin einen ganzen Tag lang Petitionen untezeichnet werden.

Jede Petition benötigt 50.000 Befürworter, um in den Bundestag zu kommen und das Stadion fasst 90.000 Menschen. Der Haken: die Stadionmiete kostet, inklusive Versicherungen und Security, für 60.000 leute 1.8 Millionen Euro und der Betrag muss noch bis Jahresende gezahlt werden, sonst verfällt die Reservierung.

Ein Platz im Stadion kostet 30 Euro. Wer die Aktion unterstützen will ohne in Berlin selbst dabei zu sein, kann einen Platz kaufen und verschenken.Wenn die Gesamtsumme nicht aufgebracht wird, bekommt man sein Geld zurück.

Die Idee wird kontrovers diskutiert. Die Einen meinen, dass dort nur eine bestimmte Blase mitmacht und so das Ergebnis gar nicht demokratisch sein kann. Die Anderen kritisieren die mangelnde Diversität des Orga-Teams.

Es gibt dort zwar ziemlich viele junge Frauen und keine weißen alten Männer, aber so herum ist die Gruppe halt auch nicht repräsentativ. People of Colour, LSBT*IQ-Leute und Menschen mit Beeinträchtigung fehlen, zumindest im Werbevideo, völlig.

Wer hat die Meisenknödel geklaut?

Antje Krause treibt die Frage nach einem verschwundenen Ring mit Meisenknödeln um. Über Nacht sind sie aus ihrem Garten verschwunden. „Wie kommt man denn nur auf die Idee, Meisenknödel zu klauen? Wer macht so etwas? Bin ich etwa nachts auf meinem eigenen Grundstück nicht mehr sicher? Wie finde und fange ich den Dieb?“ Und: „Warum beschäftigt mich das Ganze denn eigentlich so sehr?“

Antje hat im Netz genau recherchiert. Als Bio-Informatikerin ist genau diese Art von Rechereche ihr Job. Ihre Vermutung bisher: das war ein Waschbär. Aber sie will sicher gehen und hat nun eine WIldkamera bestellt, die den Garten in der Dunkelheit überwachen wird. Das Ergebnis ihrer Recherche wird sie uns dann twittern.

Baum mit Meisenknödel
Baum mit Meisenknödelring

Innovation, Agile und der ganze Bullshit

New Work – also ganz ehrlich: als langjährige Home-Officerin habe ich nur eine seeeeeehr vage Ahnung, was das sein soll. Deshalb kommt mir die Session von Samater Liban wie gerufen. Schon der Titel ist faszinierend. „“Innovation, Agile und der ganze Bullshit.“ – Das hört sich doch so an, als ob da jemand aus dem Nähkästchen plaudert, oder?

Ganz so war es dann doch nicht. Schließlich konnte Sam nicht gegen Kunden, Auftrag- und Arbeitgeber wettern. Aber jeder der in der Session war, hat jetzt einen Eindruck davon, wie es sein könnte, wenn es gut läuft und wo die Probleme mit der Agilität liegen.

Klimakrise – für alle, die den Überblick verloren haben

Martin Kraft ist in Wiesbaden als Aktivist „unterwegs“. Ihm fällt immer wieder auf, dass Begriffe verwechselt werden. Klimaschutz, Umweltschutz, FCKW, Methan, Kohlendioxid (CO2), Stickoxyde, Feinstaub…wer blickt da noch durch?

Martin erklärt und stellt richtig. Anhand einer Kurve zeigt er den Klimaänderungsleugnern, dass sich die Erdtemperatur seit der Industrialisierung, insbesondere seit 1900, enorm erhöht hat.

Nach einer dreiviertel Stunde kommt er auf die Formel: Klimaschutz ist für das Überleben der Menschheit wirklich richtig wichtig, Natur- und Umweltschutz eher nicht so. – Ich sehe das etwas anders, aber darum geht´s an dieser Stelle nicht. (Ohne Natur und Umwelt gibt es meiner Meinung nach irgendwann auch keine Menschen mehr.)

Was aber auf jeden Fall eilt – das steht ausser Frage – ist die Reduktion von Kohledioxid und Methan. Denn diese beiden Gase wirken auf die Temperatur und verändern das Klima.

Veranstaltungsslide
Session am dämmerigen Nachmittag. Mann im Schatten: Martin Kraft

Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Tom Klose beleuchtet den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die Digitalisierung ist nämlich genauso wenig umwelt- und klimafreundlich, wie es die Industriealisierung war. Sie sieht nur, auf den ersten Blick, „sauber“ aus.

In afrikanischen Minen schufften Kinder unter schlimmen Bedingungen für die Stoffe, die wir in den Bauteilen unserer Smartphones haben und der Energieverbrauch der Geräte ist enorm.

Eine richtig üble Energieschleuder ist das Streaming. Netflix, Amazon und Co. haben gemeinsam den Energieverbrauch von Chile. Ein Drittel des Verbrauchs wird von Pornodiensten verursacht.

BarCamps 2020 in Wiesbaden und Mainz

Dann ist es auch schon wieder vorbei – das BarCamp RheinMain 2019. Das Nächste Camp gibt´s in einem Jahr. Der Ort ist noch nicht bekannt.

Bis dahin können wir uns aber noch im Januar beim Innovation Culture Camp in Mainz und im April beim Social Media Marketing Camp in Wiesbaden sehen.

Und vielleicht gibt´s ja im August auch wieder ein Behavioural Design Camp?

Autorin Clia Vogel ist Texterin, Online Redakteurin und Medienmanagerin. Am liebsten schreibt sie über Öko-Themen, entwickelt Websites/Blogs und erstellt Nachhaltigkeitsberichte.

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